Freischenk

3. Blog-Eintrag

Gelesen am 12.2.21 bei der “Moechtegern-Party #7”

Letztes Mal ging es um die Kultur, darum, wie unsere innovativen Ideen, Philipps Moechtegern-Idee und meine Freischenk-Idee parallel zueinander die abgetretenen Pfade verlassen und den Kulturbegriff zu erkunden und zu erweitern versuchen.

Der Hunger nach Live-Action in Corona-Zeiten einerseits, aber auf der anderen Seite auch das Erkennen-Wollen der Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Virus, Wirtschaft und unserer Rolle als Mensch in der Natur fördern neue, kulturelle Handlungsweisen zutage. Funktionierende Moechtegern-Zoom-Parties und ökologische Umsonstläden sind äußerlich verschiedene Phänomene ein und der selben geistigen Grundhaltung:

Der Erkenntnis, dass man den Leuten schon etwas Attraktives anbieten muss, damit sie sich eingeladen fühlen; dass man ihnen neue Wege aufzuzeigen hat, wenn sich auf den alten alles staut, wenn gar nix mehr geht.

Genauso, wie sich jetzt coronabedingt Konzepte für Home-Office, Home-Schooling, ja sogar Home-Dancing rasend schnell entwickeln, um sich einer Krise anzupassen, sollten jetzt und nicht erst später Konzepte zur Bewältigung der Klima-Krise erdacht, ausprobiert und umgesetzt werden.

Diese Konzepte verbreiten sich in Prozessen sozialer Diffusion, d.h. etwas Neues, das die ganze Gesellschaft betrifft, stößt zuerst auf Ablehnung und Skepsis, diffundiert dann aber so in alle Bereiche hinein, dass es ganz schnell zum Normalfall wird. Ein gutes Beispiel gibt uns hier die Einführung der Mülltrennung und des Recycling-Systems Anfang der 1980er Jahre.

So beschreibe ich in meiner „Anleitung zum Schenken…“ wie durch soziale, also gemeinschaftliche Anpassungen aus der Nische heraus, neue kulturelle Handlungsweisen in weite Teile der Bevölkerung hinein diffundieren. Dazu müssen sie sich bewähren.

Mit dem Freischenk, dem in Freising geplanten Umsonstladen wird nun ein Projekt aufgesetzt, in dem sich neue Handlungsweisen experimentell entwickeln, spielerisch umsetzen und schlussendlich bewähren dürfen, so dass diese Praktiken, wenn sich die Verschärfung der Klima-Krise sichtbar abzeichnet, eine Rettungsboot-Funktion ergeben und allen erkennbar gezeigt wird: Hier ist der Ausweg, hier geht’s lang!

Zugleich sollen diese Handlungsweisen jetzt schon ganz praktisch CO2-einsparend sein, um den größenwahnsinnigen Regierungsvorhaben etwas entgegen zu setzen, die, sei es bei der Energiewende oder etwa der Elektromobilität, ja zuerst einmal zusätzlichen Treibhausgasausstoß und neue Arten der Umweltverschmutzung in Kauf nehmen.

So gesehen war die Einführung des Wertstoff-Systems seinerzeit nur ein ganz kleiner Teilbereich dessen, was eigentlich in den 80ern schon angestoßen hätte werden müssen.

Kleinteilige, dezentrale, regenerative Energiegewinnung in der Hand der Bürger, in Genossenschaften z.B., oder andere Formen der Landwirtschaft, direkte Vermarktung z.B., oder Förderung von Communities, die die Lebensmittelherstellung in die eigenen Hände nehmen, um nur einige andere Teilbereiche zu erwähnen.

Doch es würde sich immer noch auszahlen, in weiten Teilen unseres menschlichen Zusammenlebens umzudenken und neue Wege zu betreten.

Laut Umfragen wird auch einem immer stärker wachsendem Teil der Bevölkerung klar, dass wir anders handeln werden müssen. Zugleich wird einem technikgläubigen Wachstumsregime immer weniger vertraut., das frech und verantwortungsfrei behauptet: „Irgendwas wird schon noch erfunden werden, das dann das Erdöl ersetzt, ansonsten kann alles gleich bleiben.“

Wenn wir jetzt alle kapieren würden, dass wir extremwetterbedingte Störungen und Schäden nur noch durch individuelles Handeln und, was im Verbund mit anderen viel leichter fällt, extreme Reduzierung unserer Verbräuche, vor allem unseres Energieverbrauchs, abwenden, oder zumindest abmildern können, wäre auch die Politik eines Tages in der Lage, sich von der Lobby des Großkapitals abzuwenden und sich wieder auf die Sicherung unserer Lebensgrundlagen zu konzentrieren, und das ist halt unsere Umwelt, die Natur.

Noch nie zuvor wurde uns so deutlich vor Augen geführt, dass jede und jeder Einzelne von uns mitverantwortlich ist und die Demokratie mit jeder einzelnen Handlungsentscheidung mitträgt.

Wenn wir uns den 80 % der Bevölkerung zugehörig fühlen, die sich laut Umfragen für mehr Klimaschutz aussprechen, müsste eigentlich demnächst eine Klimaschutzpatei mit 80 % der Stimmen die Wahl gewinnen, oder?

Auf die politische Lage werde ich beim nächsten Mal noch mehr eingehen.

Heute geht es mir vorrangig um die sozialen Potenziale eines Projektes wie dem Freischenk.

In einem Film über die Transition-Town-Bewegung werden Projektteilnehmer*innen zu ihren Erfahrungen mit der Nachhaltigkeitsarbeit befragt. Es fällt auf, dass annähernd jede und jeder am Ende des Interviews vom berührenden Gemeinschaftserlebnis berichtet.

Dies gab für mich den Anlass, darüber nachzudenken, was wir eigentlich sonst so an Sozialem in unserem Alltag erleben. Dabei fällt auf, dass wir alles, was mit sozialer Organisation zu tun hat, aus der Hand gegeben haben und es immer mehr profit-orientierten Institutionen in die Verantwortung übergeben haben, wie wir miteinander auszukommen haben, sei dies bei der Rentenversicherung, dem Pflegedienst, oder allgemein im Gesundheitswesen, usw.

Als sei es eine Masche, dazu gedacht, uns als Gesellschaft zu spalten in Bedürftige und Profitierende, deren Anliegen nur gut genug verwaltet werden müssen. Das heißt allerdings auch, wenn man es überspitzt sehen will, dass wir wie die gut gepamperten Kleinkinder auf die Gesellschaft losgelassen werden, weil wir uns um so Sachen wie Gemeinschaft nicht kümmern müssen – ist ja alles geregelt – und wir uns unbekümmert und ohne Verantwortungsgefühl unserem Austoben in der glitzernden Konsumwelt hingeben dürfen.

Eigentlich wird mit sozialen Einrichtungen genau das verhindert, zu was sie eigentlich errichtet wurden, nämlich soziale Teilhabe, das Sich-kümmern-um-den-Anderen.

Die Sozialisierung in der Sozialen Marktwirtschaft führt genau zu ihrem Gegenteil: zu Vereinzelung!

Die verheerenden Auswirkungen sehen wir an jeder Ecke unseres alltäglichen Lebens und schließlich muss zur Aufrechterhaltung dieser ausgearteten, weil profitorientierten, Sozialsysteme immer mehr geschuftet und gerackert werden, da die Bedürftigen immer mehr werden, z.B. die Rentenbezieher.

Zudem führt die Frustration über die grassierende Vereinzelung zur Sehnsucht nach Bünden, nach narrativ Übergeordnetem, unter dem man sich einreihen kann. So wundert es niemanden mehr, dass nationalistische, rückwärtsgewandte Zeitgenossen in jüngster Vergangenheit soviel Zulauf erfahren durften.

Was ist dem entgegenzusetzen?

Zunächst einmal muss die Bereitschaft bestehen, sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Das heißt überspitzt: Die Pampers ausziehen und endlich ordentlich kacken lernen!

Und dann wird’s eigentlich recht einfach.

Wir haben nun halt diese physikalisch messbaren Größen, den CO2-Ausstoß und, übrigens, den gleichbedeutenden Methan-Ausstoß, der von unserem überbordenden Fleischkonsum herrührt, die uns dazu gemahnen, nach menschlichem Maß vernünftigere, modernere, gemeinschaftliche Lebensstile zu erschaffen und auszubauen, soziale Gefüge zu kreieren, mit denen sich Produktion, Transport, Konsum, Mobilität und Energieverbrauch auf höchstens die Hälfte herunterschrauben ließen. Dieses wird uns die technik- und wirtschafts-hörige Politik nicht abnehmen. Das müssen wir selbstwirksam gestalten.

Das effektivste Gestaltungsmittel ist der Verzicht, oder wie Niko Paech sagt: „Die Kunst des Unterlassens“. Übrigens, im Freischenk ist die Ansiedlung eines „Wolkenkucker-Vereins“ angedacht, der sich des gepflegten Nichtstuns annimmt.

Unsere Generation kann sich wohl noch zumindest vorstellen, was gemeinschaftlich bewältigte Aufgaben für berührende Erlebnisse sind, welche Glücksgefühle selbstwirksame, sinnstiftende Projekte in einem auslösen.

Das ist es, was ich mit dem Untertitel meiner Anleitung zum Schenken ausdrücken wollte: Vom Glück des Klimarettens.

Wenn Dir diese Worte und Sätze zu Herzen gehen, wird es Dir ein leichtes sein, in nächster Zeit mal Dein Augenmerk darauf zu richten, was Du vielleicht nicht so dringend brauchst, auf was Du gut und gerne verzichten könntest, oder dass Du, wenn schon eine Anschaffung ansteht, das qualitativ höherwertige und leicht zu reparierende Produkt nimmst, oder vielleicht ein regionales, das nicht von sonst woher angekarrt werden muss, oder dass ein saisonales Lebensmittel aus der Region, direkt vom Biobauern bezogen, eine entscheidende Veränderung der Verhältnisse bewirken kann. Die konventionelle Landwirtschaft steht sowieso vor dem Aus. Der zur Düngung überlebensnotwendige Phosphat-Abbau ist an seinem naturgegebenen Ende angelangt. Es gibt keins mehr.

Und wenn Du auf genügend Krempel verzichtet hast, könnte ja der ein oder andere Fünfer, oder Zehner, übrigbleiben, den Du jetzt bequem in den Freischenk investieren kannst. Der will nämlich demnächst seine Pforten aufmachen und alle einladen, sich ein Geschenk abzuholen und sich über enkeltaugliche Projekte zu informieren.

Vielleicht hat der eine, oder die andere ja auch noch gerade was im Schmuh-Kästchen, was dem Freischenk, gerade zur Eröffnung, besonders gut tun würde.

Danke fürs Zuhören.

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