Freischenk

Alles auf Anfang

Demnächst wird diese Website in einem neuen Gewand erscheinen. Die Design- und Redaktions-Arbeiten laufen auf Hochtouren. Zur redaktionellen Mitarbeit lade ich aber trotzdem und jederzeit explizit jede und jeden ein, die oder der sich berufen fühlt – es soll ja schließlich eine dynamische Plattform werden. Als Leitfaden möchte ich hier heute einen Blogeintrag der besonderen Art kreieren, schließlich ist die Frage, um was es sich beim “Schenken” denn nun konkret handelt, noch längst nicht ausdiskutiert.

Das “grobe” Schenken

Beleuchten wir nur mal ein Geschehen, das gar nicht mal so selten, eigentlich täglich, in unserem Freischenk zu beobachten ist. Da wird gerafft, gierig gehortet, zugleich verschämt und unverschämt ein Pfennigbetrag in die Spendenbox geworfen, so dass man sich unweigerlich fragt: “Sag mal, was machen wir hier eigentlich?” oder auch: “Sag mal, wo leben wir denn hier?”

Diese Fragen, die da plötzlich in einem aufploppen, rühren von Verhaltensweisen her, die ich als hochgradig toxische beobachte. Das Ausmaß an Konsum-Süchten, die – ob es am “Frei” im Wort Freischenk liegt? – im Laden ausgelebt werden, bringen Saiten in einem zum Schwingen, die durch die Arbeit am Schenken (und am Sich-Verschenken) schon längst für tot erklärt schienen, nämlich grobe Entrüstung – bis hin zur Wut, grobes Vorverurteilen und Antipathien anderen Menschen gegenüber.

Nie hätte ich als feinsinniger Mensch gedacht, dass mich noch irgendein menschliches Verhalten aufregen hätte können. Und als feinsinniger Mensch möchte ich gerne dahintersteigen, sehen und erkennen, warum manche Menschen so und so handeln.

Es muss der Anspruch des Umsonstladens (und des Vereins) sein, Widersprüchliches auszuhalten, zu lernen, mit widersprüchlichem Verhalten klarzukommen und im Endeffekt auch Leute zu integrieren, die die katastrophalsten Verhaltensweisen an den Tag legen. Das große Geheimnis ist, dass das zufällig die Agenda ist, die das Schenken in Hinblick auf Klimakrise, Nachhaltigkeitsdiskurs, überhaupt im Hinblick auf unsere Zukunft, nach ganz oben auf die To-Do-Liste stellt: das Aushalten von, das Klarkommen mit und das Bearbeiten von Widersprüchen (“Ambivalenzen”, siehe vorvorletzten Blogeintrag). Ich muss feststellen, dass es mich mit Stolz erfüllt, draufgekommen zu sein, dass eine erweiterte Einladung Verhaltensauffällige zur Integration bewegen kann, dass das Schenken oftmals nur ein bisschen Zeit erfordert, die einem ein Gespräch mit jemandem beginnen lässt, bei dem man feststellt: eigentlich geht`s dem/der nicht viel anders als mir. Als privilegierter Westeuropäer sitze ich mit allen Menschen im gleichen Boot, die genauso wie ich jetzt noch 12 Tonnen CO2 (Bundesdurchschnitt) ausstoßen und die demnächst, das heißt in den nächsten paar Jahren, zwingend ihren Ausstoß auf eine Tonne herunterschrauben müssen. Und das heißt: hauszuhalten! Mit all seinen Widersprüchen und Ambivalenzen!

Dies zur groben Umrahmung dessen, um was es beim Schenken genau geht.

Das “sensible” Schenken

Aha! Sensibel soll ich beim Schenken also auch noch sein, hm.

Oberstes Ziel des Freischenks soll laut Vereins-Satzung – grobgesagt – umweltpolitische Bildung sein. Hier also ein paar Ansätze:

Ökologie: Durch Eindämmung der Wegwerfmentalität entrümpelt man sein Gehirn von der Vorstellung, alles besitzen zu müssen. Ökologische und soziale Bewegungen schaffen einen Mehrwert bei Produkten, die bis dato sinnlos in Garagen, auf Dachböden und in Kellern dahingammeln und die jetzt wieder in Nutzung geraten, am besten für mehrere Nutzer (etwa durch Teilen, Tauschen und Verleih). Der Raubbau an der Natur durch die Ressourcenverschwendung in der Produktion ist neben Mobilität und Wohnen der Bereich mit den größten, klimawirksamen Einsparpotenzialen. Die Sensibilität für diesen Bereich der Produktionsvermeidung muss soweit gehen, dass ich auf dem Weg von den 12 Tonnen hin zu der einen allein schon die Hälfte erreiche, indem ich mich mit Leuten vernetze, die mit mir Produkte teilen, tauschen, pflegen, reparieren, usw. wollen. Die Sensibilität muss also auch auf die abstrahlen, die jetzt noch keinen Dunst vom Glück des Klimarettens haben. Ökologie heißt haushalten, mit dem was die Natur uns gibt. Übrigens: Am besten haushalten mit unserer Natur die Verarmten, alleine schon dadurch, dass sie keine Flugreisen, keine Kreuzschifffahrten, kein Gold und keine Diamanten konsumieren. Die Armen sind bereits – vorbildlich! – auf 6 Tonnen. Wohlgemerkt: hier ist kein Zynismus angebracht! Folgendes: Ich bestreite momentan mit 1400 Euro monatlich mein Leben (eigentlich lieber mit noch weniger!). Am wichtigsten ist mir eine Krankenversicherung und ein Dach über dem Kopf. Hab ich! Ich bin zufrieden.

Zur Weiterführung meiner ökologischen Gedanken empfehle ich die Lektüre des Büchleins “Befreiung vom Überfluss” von Niko Paech (oekom-Verlag, München).

Ökonomie: Die Mehrzahl der Deutschen gibt im selben Zeitraum, in dem sie ein qualitativ hochwertiges Produkt nutzen könnte, etwa doppelt so viel Geld für die mehrmalige Anschaffung von billigem Ramsch aus – und das immer mehr durch Verschuldung. Den zivilisierten Menschen steht wohl der Sinn nach unwirtschaftlichem Handeln, und das noch dazu, wo Geld eh immer knapper wird.

Mit dem Umsonstladen wird ein Versuch unternommen, den Freisinger*innen ökologisch-wirtschaftliches Handeln näherzubringen. Vorteile siehe oben. Durch Schenken und seine Artgenossen Teilen, Tauschen, Verleih, Reparatur und Pflege wird sinnlose Produktion unterwandert. Übrigens: Wer seinen Job verliert, weil immer weniger produziert wird, kann sich gern beim Freischenk melden. Am spannendsten wird wohl sein, Menschen aus dem Hamsterrad zu helfen und mit einer sinnbehafteten, ökologisch wertvollen Tätigkeit in Brot und Arbeit zu bringen. Schaffen wir es, dass alle hier in Freising im Jahr 2030 im gemeinwohl-orientierten Erwerbsleben stehen?

Mit viel Schenken geht`s!

Soziale Aspekte: Mein Gott Ja!: “Sozial ist, was Arbeit schafft.” So wird es von konservativen Wahlplakaten herunter geplärrt. Schon recht. Ist ja sinnvoll und wahr, diese Aussage. Aber welche Arbeit ist denn sozial sinnvoll? Und vor allem – und das wird immer dringender – ökologisch sinnvoll? Dabei kann zwischen sozialer Frage und ökologischer Frage bald nicht mehr unterschieden werden, da ist beides Eins. Die alles entscheidende Frage ist die nach der Grundversorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Wohnraum unter den Gegebenheiten der radikalen CO2-Vermeidung. Da wird uns niemand anders retten können, als wir uns selbst, im sozialen Verbund mit dem direkten Umfeld, kann auch ein klein wenig indirekter sein, wenn man z.B. so Hot-Spots wie den Freischenk aufsucht. Ökologische Bürgerbewegungen, die wirklich was bewegen, also sprichwörtlich was in die Hand nehmen, zeichnen sich durch hohe Zufriedenheit aller Beteiligten aus. Aus großer Zufriedenheit heraus können die außergewöhnlichsten Ideen entstehen, die nach Umsetzung durch eine mitgliederstarke Vereinigung geradezu schreien.

Das ist dann doch ein bisschen was anderes, als plärrende Plakate.

Kultur: Bekommen sozio-ökologische Bewegungen genügend Zulauf – und das ist es, was mir hier in Freising besonders viel Freude bereitet, dass dieser stetige Zulauf gelingt. Freising ist echt ein fruchtbarer Boden! – beginnt die Erfassung durch das öffentliche Radar. Idealerweise wird – wie andernorts bereits geschehen (man sehe sich bitte Totnes, Südengland an – Regensburg ist auch nicht schlecht) – eine solche “Graswurzel-Bewegung” Kult. Mit allen Auswirkungen auf Kunst, Kultur und sonstiges, soziales Verhalten der Bevölkerung. Der sensibelste Bereich ist immer die Bewertung, wie sehr eine solche Bewegung angegriffen werden kann? Und da geht es bereits mit einem harmlos gemeinten “Das sind doch alles Hippies!” oder ähnlichem los. Es wird sich zeigen, mit wie viel Einfühlsamkeit der Freischenk zu Werke gehen und mit wieviel Einfühlsamkeit er von den Menschen wahrgenommen wird. Mir ist auf alle Fälle klar, dass das Schenken in hohem Maße unangreifbar ist (Kennst Du jemanden, der sich gegen das Schenken stellen will?) und dass der Verein somit für die Teilnehmenden auch einen gewissen Schutzraum darstellt.

Um jetzt dem Kult mal einen Hype zu geben: Wir werden mit unserem Verschenken weiter kommen, als ihr mit Gier!

Politik: Die politische Landschaft übersieht komplett Bewegungen, die sich um die sozialen Aspekte der Klimakrise kümmern. Erst wenn aus starken Vereinigungen heraus, die noch dazu alternativ handeln, Veränderungen im Wahlverhalten entstehen, richtet die Politik ihre Fühler nach diesen Initiativen aus und wird dann erst langsam, nach einer gehörigen Zeit des behördlichen Begutachtens, fördernd tätig werden.

Mit anderen Worten: Wir selbst haben es in der Hand, und zwar jetzt und hier. Wir: einfach Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck.

Wir betreiben ohne Parteibuch die viel wirksamere Politik!

Zusammenfassend lässt sich also sagen, es braucht gar nicht viel und besondere Bildung. Herzensbildung ist eigentlich schon ausreichend, um in unsere Aussage einzuschwenken: Es ist eine Schande, wie viel weggeschmissen wird!

Alles weitere ergibt sich für diejenigen, die den ersten Schritt wagen. Dann ist da diese gewisse Einladung, mal in einen gewissen Laden reinzuschauen. Der Freischenk ist mindestens schon beim zweiten Schritt…;-)

Herzlichst, Euer Peter

 

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